Um Organisationen im Gesundheitswesen eine Handreichung auf dem Weg zur gesundheitskompetenten Organisation zu geben, haben Pelikan und
 Dietscher (2015) das „Wiener Konzept Gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen“ entwickelt. Es beinhaltet 9 verschiedene Standards
 (Bereiche) für gesundheitskompetente Organisationen, die entweder einzeln oder als Ganzes im Rahmen eines Gesamtkonzepts angegangen werden
 können.
Die Standards im Einzelnen:
 1. Management-Grundsätze und Unternehmensstrukturen für GK etablieren
 Dieser Bereich thematisiert das organisationale Unterstützungssystem für GK, d. h., die Führungsunterstützung, die personelle Verantwortung, das Budget,
 die Sensibilisierung in der Organisation, das notwendige Monitoring und die regelmäßige Qualitätsentwicklung.
2. Materialien und Angebote partizipativ entwickeln und evaluieren
 Da GK wesentlich auf das Verständnis der und die Anwendung durch die Zielgruppen abzielt, ist es unbedingt erforderlich, VertreterInnen der Zielgruppen
 in die Entwicklung und Evaluierung von schriftlichen Dokumenten und Angeboten einzubeziehen. Besonders wesentlich ist dies, wenn Informationen für
 Angehörige ethnischer Gruppen adaptiert oder in andere Sprachen übersetzt werden. Hier sollten in jedem Fall Testungen mit Angehörigen der Zielgruppen
 getestet werden, bevor Materialien oder Angebote im Routine-Alltag eingesetzt werden. Dadurch können Missverständnisse und unbeabsichtigte
 Irritationen vermieden werden.
3. MitarbeiterInnen für die gesundheitskompetente Kommunikation mit PatientInnen qualifizieren
 Hier geht es vor allem darum, dass MitarbeiterInnen wesentliche Strategien einer patientenorientierten Kommunikation kennen und beherrschen – etwa
 die Kommunikation in Alltagssprache (Vermeidung von Fachjargon), langsames Sprechen in kurzen Sätzen, Pausen machen und Fragen ermöglichen oder
anregen, und Rückbestätigungstechniken (z. B. Teach-back, bei dem man sich in den Worten des/der PatientIn erzählen lässt, was er/sie verstanden hat,
 sodass man dann ev. noch nachsteuern kann). Ebenfalls wichtig ist ein Grundverständnis für die Gestaltung bzw. Auswahl geeigneter schriftlicher oder
 audio-visueller Informationsmaterialien und deren fachgerechte Anwendung in der Kommunikation mit PatientInnen.
4. Eine unterstützende Umwelt schaffen – Navigationshilfen
 Zur Senkung von Zugangshürden zur Einrichtung und zu einer guten Orientierung in der Einrichtung tragen orientierende Informationen auf der Webseite
 der Einrichtung ebenso bei wie ein kundenfreundliches Telefonsystem, das Leitsystem der Einrichtung oder auch ehrenamtliche HelferInnen, die
 PatientInnen oder BesucherInnen durch die Einrichtung führen.
5. Mit PatientInnen gesundheitskompetent kommunizieren
 Dieser Kernbereich im Konzept zielt darauf ab, in allen Interaktionssituationen mit PatientInnen unterstützende Kommunikationsstrategien einzusetzen
 (vgl. Bereich 2) und nur schriftliche und audio-visuelle Materialien zu verwenden, die den Kriterien der GK genügen (einfache Sprache, klare und
 übersichtliche grafische Darstellung, ausreichende Schriftgröße, keine Bild-Text-Schere, gute Gliederung der Information, etc.).
6. Die persönliche GK von (chronischen) PatientInnen und Angehörigen verbessern
 Der Kontakt mit den PatientInnen kann auch für tatsächliche Verbesserungen ihrer persönlichen GK genutzt werden. Dies kann durch Angebote eigener
 Informationen oder Schulungen oder durch Information der PatientInnen und ihrer Angehörigen über entsprechende Angebote in der Region erfolgen.
 Letztere Strategie ist häufig erforderlich, da bei kurzen Verweildauern Entwicklungen häufig nur initiiert werden können.
7. Die persönliche GK der Mitarbeiter/innen verbessern
 MitarbeiterInnen sind selbst eine wichtige Zielgruppe für die Verbesserung von GK. Zum einen geht es um ihre GK für die Erfüllung der Berufsrolle: Welches
 Wissen und welche Fähigkeiten benötigen sie, um ihren Beruf möglichst lange möglichst gesund ausüben zu können? Zum anderen geht es auch darum, die
 GK der MitarbeiterInnen für eine allgemein gesunde Lebensführung zu fördern.
8. Zur Verbesserung der GK in der Region beitragen
 Der Bereich spricht zum einen die notwendige Information zum Krankheitsmanagement im Rahmen der Entlassungsvorbereitung der PatientInnen an, zum
 Beispiel durch Instrumente wie mit den PatientInnen gemeinsam erarbeitete Aktionspläne, Case Management oder telefonisches Follow-Up. Zum anderen
 können Organisationen die GK der Bevölkerung in ihrer Region im Sinne der öffentlichen Gesundheit fördern. Ein gutes Beispiel dafür ist der österreichische
 Verein „Große schützen Kleine“, der von der Kinderunfallklinik eines Universitätskrankenhauses initiiert wurde. Ausgehend von der Analyse der Ursachen
von Kinderunfällen werden Strategien zur Unfallvermeidung entwickelt und über unterschiedliche Informations- und Schulungskanäle vermittelt, z. B. ein
 Kindersicherheits-Haus, in dem sich Eltern über die Gestaltung eines kindersicheren Haushalts informieren können.
9. Dissemination des Konzepts und Vorbildwirkung durch Best-Practice-Modelle
 Damit GK zu einer längerfristig attraktiven Strategie werden kann, ist es erforderlich, dass Organisationen zu diesem Thema in einen Austausch treten und
 voneinander lernen können – durchaus auch im Sinne einer positiven „peer pressure“. Bestehende Netzwerke, wie etwa die Gesundheitsfördernden
 Krankenhäuser, können hierfür Plattformen anbieten.
(Pelikan, J.M., & Dietscher, C. (2015). Warum sollten und wie können Krankenhäuser ihre organisationale Gesundheitskompetenz verbessern?
 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 58, 989-995, zitiert nach Pelikan, J. (2017). Gesundheitskompetente
 Krankenbehandlungseinrichtungen. Public Health Forum, 25(1), 66-70)
Um Organisationen eine Handreichung zur Inangriffnahme dieser Bereiche zu geben, haben die Autoren eine umfangreiche Toolbox entwickelt. Diese stellt
 wichtige Hilfen für jeden einzelnen Bereich in übersichtlicher Form dar: Tipps und Anregungen, Messinstrumente, Weblinks, Informationstexte,
 Videomaterialien, Best-Practice-Beispiele und vieles mehr.
 Die Toolbox kann hier eingesehen und heruntergeladen werden:
 https://oepgk.at/wp-content/uploads/2018/10/002-toolbox_hlo.pdf 
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) in ihrem Praxisleitfaden zur Entwicklung einer
 gesundheitskompetenten Organisation. Dort werden 9 Teilprozesse definiert. Ähnlich wie im Wiener Modell (siehe oben) sind nicht alle Teilprozesse
 obligat; vielmehr kann eine Organisation die Entwicklung an ihre individuellen Gegebenheiten anpassen und einzelne Schritte für sich auswählen bzw.
 auslassen, falls diese bereits erfüllt sind.
Folgende Teilprozesse werden besprochen:
 Teilprozess 1: Die Führung der Organisation gewinnen und Führungsrollen aktiv gestalten
Teilprozess 2: Unterstützende Rahmenbedingungen und Anreize für Veränderung in der Organisation schaffen
 Teilprozess 3: Mitarbeiter/-innen informieren und einbinden
 Teilprozess 4: Fachliche Begleitung hinzuziehen?
 Teilprozess 5: Eine(n) Gesundheitsbeauftragte(n) definieren und ein Gesundheitskompetenzteam bilden
 Teilprozess 6: Ist-Zustand analysieren und Ziele ableiten
 Teilprozess 7: Maßnahmen planen und umsetzen
 Teilprozess 8: Mitarbeiter/-innen qualifizieren
 Teilprozess 9: Evaluieren und Erfolge dauerhaft verankern
Eine große Stärke des Leitfadens liegt in seiner übersichtlichen und praxisorientierten Art. Die Teilprozesse werden präzise, aber knapp zusammengefasst
 und anhand von Beispielen illustriert. Auf weitergehende Literaturquellen wird mittels Referenzen und Weblinks verwiesen. Der Leitfaden eignet sich somit
 hervorragend dazu, einen Überblick über die Thematik zu erhalten und einen Handlungsplan für die eigene Institution zu erstellen.
Der Praxisleitfaden kann hier eingesehen und heruntergeladen werden:
 https://oepgk.at/wp-content/uploads/2019/06/praxisleitfaden.pdf